BADEM
DEUTSCH ALS MINDERHEITENSPRACHE IN DER SCHWEIZ
Freiburg - Reichengasse
Kleintal / Petit-Val im Berner Jura
Gurin im Frühling (Bosco Gurin TI)
Freiburg im Üechtland
Chatelat im Kleintal BE
Bosco Gurin TI
Kanton Freiburg
Kanton Bern
Tessin, Graubünden, Wallis
Die Europäische Sprachencharta (ECRM)
Elsass
Sprache und Gesellschaft
Über den Dachverband BADEM

Statuten des BADEM

Wallis, Gurin, Graubünden und Walsersiedlungen in Norditalien

Die Gesellschaft Walserhaus Gurin, Bosco Gurin TI
Kultur Natur Deutschfreiburg, Freiburg i. Ü.
Sprachkreis Deutsch, Bern

BOSCO GURIN
Bosco Gurin unterscheidet sich von den typischen Tessiner Nachbardörfern dadurch, dass es von Angehörigen des Walservolkes gegründet wurde. Die alten, vorwiegend aus Lärchenholzbalken in Blockbau-Technik gebauten Wohnhäuser, Ställe und Stadel und die bis heute gebrauchte Umgangssprache, das Ggurijnartitsch, sind das offensichtlichste Erbe der Gründer.
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CHARTA DER GEMEINDE BOSCO GURIN
Unser Wunsch nach stolzer Eigenständigkeit ist unverändert. ...
In diesem Zusammenhang erhält die Förderung der Sprache grundlegende Bedeutung, ungeachtet der Tatsache, dass die Gemeinde Bosco Gurin eine Gemeinde des Kantons Tessin ist, dessen Amtssprache Italienisch ist (Art. 1 Kantonsverfassung).
Text der Charta ...  (samt zweisprachiger Fassung als PDF)


CHARTA DER GEMEINDE BOSCO GURIN

Ausgangslage

Die Gemeinde Bosco Gurin sieht sich zurzeit einem Verfahren zur Gemeindezusammenlegung gegenüber, das (falls vom Grossen Rat angenommen) die Gründung der neuen Gemeinde Cevio vorsieht, zu der die derzeitigen Gemeinden Campo Vallemaggia, Cevio, Cerentino und Linescio gehören werden.

Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens (das noch die Einbeziehung der Bevölkerung in einer beratenden Abstimmung vorsieht) erachtet es die Gemeinde Bosco Gurin als besonders wichtig, die vorliegende Absichtserklärung (die sogenannte CHARTA) anzunehmen, um das das Dorf auszeichnende geschichtliche, kulturelle und landschaftliche Erbe auch für die zukünftigen Generationen zu bewahren und den nötigen und grundlegenden Identitäts- und Autonomiegeist zu behalten.

Es ist hier erwähnenswert, dass vor 765 Jahren unsere Walser Vorfahren aus dem Wallis den Grundstein unseres geliebten und einzigartigen Bergdorfs legten. Die harte und karge Erde verlangte zähe Arbeit ab. 1934 haben wir nach einem sicher nicht einfachen Ringen mit den Kantonsbehörden, vor allem seitens unseres Mitbürgers Nationalrat Adolfo Janner, die Bezeichnung Bosco Gurin durchsetzen können. Unsere Geschichte ist bedeutend. Für uns, aber nicht nur für uns. Es ist eine Geschichte der Treue, der Treue eines kleinen Volkes, das heute noch kämpfen muss, um sich eine noch lebenswerte Zukunft zu sichern und die eigene Wesensart, die ursprüngliche Seele, die Eigenart zu bewahren. Die Zukunft muss mit Visionen geplant oder vorgestellt werden, die unsere Vergangenheit und die tiefen Absichten derer berücksichtigen, die uns in unserer langen Geschichte vorangegangen sind.

Wir erinnern uns gern daran, wie anlässlich unserer 700-Jahr-Feier (am 6. September 1953) Staatsrat Giuseppe Lepori (der später Bundesrat wurde) sehr richtig und treffend bekräftigte, dass der Staat eingreifen und dazu beitragen müsse, dass entsprechend dem Willen unserer Bevölkerung und zum Vorteil des ganzen Landes der Fortbestand von Bosco Gurin gewährleistet werde.

Heute wie damals ist die Lage unverändert, vor allem unser Stolz, Teil einer einzigartigen, besonderen Gemeinschaft von geschichtlich, kulturell und landschaftlich unvergleichbarem Wert zu sein.

Auch unser Wunsch nach stolzer Eigenständigkeit ist unverändert. Es wäre denn auch unangebracht, unsere von unseren Vätern überlieferte Geschichte und Treueverpflichtung zu beschränken und Bosco Gurin nur in wirtschaftlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Unsere Geschichte ist anders als alle anderen. Unser Gebiet ist einzigartig und wertvoll und muss deshalb gebührend berücksichtigt werden, wie es unsere Gründerväter taten, die mit grossen Mühen einen Weg einschlugen, der es verdient, weitergegangen zu werden.

In diesem Zusammenhang erhält die Förderung der Sprache grundlegende Bedeutung, ungeachtet der Tatsache, dass die Gemeinde Bosco Gurin eine Gemeinde des Kantons Tessin ist, dessen Amtssprache Italienisch ist (Art. 1 Kantonsverfassung).

Präambel

Es muss daran erinnert werden, dass die in der Gemeinde Bosco Gurin seit ihrer Gründung im Jahr 1253 herkömmlich gebrauchte Sprache Deutsch ist.

Die von den Einwohnern in der Familie und im Gemeindeleben gesprochene Mundart Gurinerdeutsch ist ein besonderes Merkmal Gurins und hat die örtliche Kultur massgeblich geprägt. Als lebendige Walsermundart ist Gurinerdeutsch von grosser sprachwissenschaftlicher Bedeutung.

Zugleich haben die Guriner von jeher auch Hochdeutsch in der Verwaltung der Gemeinde und Bürgergemeinde, in amtlichen Beschilderungen und anderen öffentlichen Aufschriften, in der Schule, Kirche und im Fremdenverkehr gebraucht. Die älteste, im Gemeindearchiv aufbewahrte Fassung der Guriner Gemeindeordnung ist eine 1747 in Hochdeutsch verfasste Abschrift. In den Orts-, Flur- und Bergnamen zeigen sich Gurinerdeutsch und Hochdeutsch.

Heute ist die deutsche Sprache in Bosco Gurin in ihrem Erhalt bedroht.

Am 23. Dezember 1997 hat die Schweizerische Eidgenossenschaft die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert. Ziel der Charta ist die entschlossene Förderung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen in Wort und Schrift im öffentlichen Leben, um diese zu schützen. Artikel 7 der Charta schützt und fördert auch Deutsch (Gurinerdeutsch und Hochdeutsch) in der Gemeinde Bosco Gurin.

Aus diesen Gründen

E R K L Ä R T

die Gemeinde Bosco Gurin mit vorliegendem Akt,

alle in der genannten Europäischen Charta vorgesehenen Massnahmen, die in ihre Zuständigkeit fallen, auf die deutsche Sprache in Bosco Gurin anwenden zu wollen, und verpflichtet sich, gegenüber den Behörden des Kantons Tessin und des Bundes für die Umsetzung aller anderen Massnahmen zugunsten der deutschen Sprache in Bosco Gurin einzutreten.

Art. 1     Ziele und Grundsätze

Hinsichtlich der Regional- oder Minderheitensprachen legen die Vertragsparteien in den Gebieten, in denen solche Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache ihrer Politik, Gesetzgebung und Praxis folgende Ziele und Grundsätze zugrunde:

a                die Anerkennung der Regional- oder Minderheitensprachen als Ausdruck des kulturellen Reichtums;

b               die Achtung des geographischen Gebiets jeder Regional- oder Minderheitensprache, um sicherzustellen, dass bestehende oder neue Verwaltungsgliederungen die Förderung der betreffenden Regional- oder Minderheitensprache nicht behindern;

c                die Notwendigkeit entschlossenen Vorgehens zur Förderung von Regional- oder Minderheitensprachen, um diese zu schützen;

d               die Erleichterung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen in Wort und Schrift im öffentlichen Leben und im privaten Bereich und/oder die Ermutigung zu einem solchen Gebrauch;

e                die Erhaltung und Entwicklung von Verbindungen in den von dieser Charta erfassten Bereichen zwischen Gruppen, die eine Regional- oder Minderheitensprache gebrauchen, und anderen Gruppen in diesem Staat mit einer in derselben oder ähnlicher Form gebrauchten Sprache sowie das Herstellen kultureller Beziehungen zu anderen Gruppen in dem Staat, die andere Sprachen gebrauchen;

f                 die Bereitstellung geeigneter Formen und Mittel für das Lehren und Lernen von Regional- oder Minderheitensprachen auf allen geeigneten Stufen;

g                die Bereitstellung von Einrichtungen, die es Personen, die eine Regional- oder Minderheitensprache nicht sprechen, aber in dem Gebiet leben, in dem sie gebraucht wird, ermöglichen, sie zu erlernen, wenn sie dies wünschen;

h               die Förderung des Studiums und der Forschung im Bereich der Regional- oder Minderheitensprachen an Universitäten oder in gleichwertigen Einrichtungen;

i                 die Förderung geeigneter Formen des grenzüberschreitenden Austausches in den von dieser Charta erfassten Bereichen für Regional- oder Minderheitensprachen, die in zwei oder mehr Staaten in derselben oder ähnlicher Form gebraucht werden.

Die Vertragsparteien verpflichten sich, sofern dies noch nicht geschehen ist, jede ungerechtfertigte Unterscheidung, Ausschließung, Einschränkung oder Bevorzugung zu beseitigen, die den Gebrauch einer Regional- oder Minderheitensprache betrifft und darauf ausgerichtet ist, die Erhaltung oder Entwicklung einer Regional- oder Minderheitensprache zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Das Ergreifen besonderer Maßnahmen zugunsten der Regional- oder Minderheitensprachen, welche die Gleichstellung zwischen den Sprechern dieser Sprachen und der übrigen Bevölkerung fördern sollen oder welche ihre besondere Lage gebührend berücksichtigen, gilt nicht als diskriminierende Handlung gegenüber den Sprechern weiter verbreiteter Sprachen.

Die Vertragsparteien verpflichten sich, durch geeignete Maßnahmen das gegenseitige Verständnis zwischen allen Sprachgruppen des Landes zu fördern, indem sie insbesondere Achtung, Verständnis und Toleranz gegenüber den Regional- oder Minderheitensprachen in die Ziele der in ihren Ländern vermittelten Bildung und Ausbildung einbeziehen und indem sie die Massenmedien ermutigen, dasselbe Ziel zu verfolgen.

Bei der Festlegung ihrer Politik in Bezug auf Regional- oder Minderheitensprachen berücksichtigen die Vertragsparteien die von den Gruppen, die solche Sprachen gebrauchen, geäußerten Bedürfnisse und Wünsche. Sie werden ermutigt, erforderlichenfalls Gremien zur Beratung der Behörden in allen Angelegenheiten der Regional- oder Minderheitensprachen einzusetzen.

Die Gemeinde Bosco Gurin verpflichtet sich ferner,

gemäss der Gemeindeordnung;

in Übereinstimmung mit der herkömmlichen örtlichen Übung im Sprachengebrauch;

in der Erwägung, dass einzelne in der Charta enthaltene praktische Massnahmen eine Anregung für die Weiterentwicklung der Sprachförderung der Gemeinde sein können, selbst wenn diese Massnahmen nicht in der Ratifizierungsurkunde vom 23. Dezember 1997 enthalten sind,

und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten

insbesondere folgende Massnahmen umzusetzen oder gegebenenfalls gegenüber den zuständigen Behörden dafür einzutreten:

Art. 2     Bildung

a                ein Angebot der vorschulischen Erziehung in deutscher Sprache oder eines erheblichen Teils der vorschulischen Erziehung in deutscher Sprache zu begünstigen und/oder dazu zu ermutigen;

b               innerhalb des Grundschulunterrichts den Unterricht der deutschen Sprache als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen;

c                innerhalb des Unterrichts im Sekundarbereich den Unterricht der deutschen Sprache als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen;

d               für den Unterricht der Geschichte und Kultur, die in der deutschen Sprache ihren Ausdruck finden, zu sorgen;

e                die Wiederbelebung der deutschen Sprache und ihren vermehrten Gebrauch auch im schulischen Umfeld durch gezielt mit den Kantons- und Gemeindebehörden erarbeitete und geteilte pädagogische Projekte und Schüleraustausch und -aufenthalte zu fördern und zu unterstützen.

Art. 3       Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe

a                den Gebrauch auch der deutschen Sprache innerhalb der örtlichen Behörde;

b               die Möglichkeit, dass Personen, die die deutsche Sprache gebrauchen, mündliche oder schriftliche Anträge in dieser Sprache stellen;

c                die Veröffentlichung der amtlichen Schriftstücke der örtlichen Behörden durch diese auch in deutscher Sprache;

d               den Gebrauch der deutschen Sprache durch die örtlichen Behörden in deren Ratsversammlungen, ohne jedoch den Gebrauch der italienischen Sprache auszuschließen;

e                den Gebrauch oder die Annahme der herkömmlichen und korrekten Formen von Ortsnamen in deutscher Sprache, wenn nötig in Verbindung mit dem Namen in italienischer Sprache;

f                Übersetzen oder Dolmetschen je nach Bedarf;

g                Einstellung und, soweit erforderlich, Ausbildung der benötigten Beamten und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes;

h               nach Möglichkeit Erfüllung der Wünsche von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die über Kenntnisse in der deutschen Sprache verfügen, in dem Gebiet eingesetzt zu werden, in dem diese Sprache gebraucht wird;

i                 die deutsche Sprache in allen Bereichen sichtbar zu machen in der Absicht zu zeigen, dass Deutsch in Bosco Gurin nicht nur Brauchtum, sondern eine lebendige, täglich gebrauchte Sprache ist (Webseite, Schilder, besondere Förderung usw.);

j                 enge Verbindung mit der/dem Delegierten des Bundes für Mehrsprachigkeit zu pflegen und mit diesem Amt gezielte Projekte zu erarbeiten, die den in der vorliegenden Charta genannten Zielen dienen.

Art. 4     Medien

zur Produktion und Verbreitung von Audio- und audiovisuellen Werken in deutscher Sprache zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern.

Art. 5     Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen

a                zu den der deutschen Sprache eigenen Formen des Ausdrucks und der Initiative zu ermutigen sowie die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den in Deutsch geschaffenen Werken zu fördern;

b               die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den in deutscher Sprache geschaffenen Werken in anderen Sprachen zu fördern, indem sie Tätigkeiten auf dem Gebiet der Übersetzung, Synchronisation, Nachsynchronisation und Untertitelung unterstützt und ausbaut;

c                zur unmittelbaren Mitwirkung von Vertretern der Sprecher der deutschen Sprache bei der Bereitstellung von Einrichtungen und der Planung kultureller Tätigkeiten zu ermutigen;

d               zur Schaffung eines oder mehrerer Gremien, die für die Sammlung, Aufbewahrung und Aufführung oder Veröffentlichung von in deutscher Sprache geschaffenen Werken verantwortlich sind, zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern.

Art. 6     Wirtschaftliches und soziales Leben

a                in den ihrer unmittelbaren Kontrolle unterstehenden Wirtschafts- und Sozialbereichen (öffentlicher Sektor) Massnahmen zur Förderung des Gebrauchs der deutschen Sprache zu ergreifen;

b               durch geeignete Mittel sicherzustellen, dass Sicherheitsvorschriften auch in deutscher Sprache zugänglich sind.

Art. 7     Grenzüberschreitender Austausch

zugunsten der deutschen Sprache die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, insbesondere zwischen regionalen oder örtlichen Behörden, zu erleichtern und zu fördern, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich Deutsch in derselben oder ähnlichen Form gebraucht wird.

Angenommen vom Gemeinderat von Bosco Gurin am 8. Juni 2018

Angenommen von der Gemeindeversammlung von Bosco Gurin am ……………………….. 2018

Anhang 1: Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
Anhang 2: Charta der Gemeinde Bosco Gurin zweisprachig als PDF-Datei

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