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ELSASS

Pierre Klein. Histoire Politique de l'Alsace. Repères historiques /
Politische Geschichte des Elsass. Historische Bezugspunkte

Zweisprachige Ausgabe Französisch / Deutsch
Bernardswiller FR (I.D. l'Édition) 2020. ISBN 978-2-36701-215-5.

Pierre Klein
POLITISCHE GESCHICHTE DES ELSASS
Der Verfasser streift zu Beginn auch die Vorgeschichte und frühe Geschichte des Gebietes, welches später zum Elsass wurde. Die keltischen und vielleicht auch germanischen Stämme, die im späteren Elsass lebten, sind nur dem Namen nach bekannt; ihre Sprachen sind durch die Romanisierung nach der Eroberung Galliens durch Cäsar fast spurlos verschwunden. Cäsar legte allerdings den Rhein als Grenze zwischen Gallien und Germanien fest – ein Umstand, auf den sich Frankreich später berufen sollte.
Das Elsass wird als eigene Landschaft im 7. Jahrhundert greifbar; von 640 bis 740 bestand auch ein Herzogtum Elsass. Im Jahre 843 wurde das Elsass bei der Aufteilung des Frankenreiches dem Mittelreich zugeteilt, dem späteren Lotharingien. Bereits 870 wurde es dem Ostfrankenreich, dem späteren Deutschland, angegliedert. Die neuen Grenzen blieben bis weit über das Mittelalter hinaus bestehen.
Otto I. und seine Nachfolger versuchten von 962 an das Ostfrankenreich als erneuertes römisches Imperium zu verwirklichen, der Kaiser verstand sich als Beschützer der Kirche. Die Grundlage des Reiches waren Stammesherzogtümer, die erblich wurden, königliche Macht anstrebten und dem Kaiser gegenüber ihre Eigenständigkeit bewahrten und ausbauten. Somit wurde um das Jahr 1000 der deutsche Föderalismus angelegt und auch die territoriale Zersplitterung. Im Westfrankenreich, dem späteren Frankreich, geschah das Gegenteil. Der Autor fasst diese gegenläufigen Bewegungen in einem gewagten Wortspiel zusammen, mit dem ätzend und bissig den kulturellen Kollateralschaden des französischen Zentralismus brandmarkt; wohl vorsichtigerweise nur in der deutschen Fassung: "Das Kaiserreich wird das Land der Vielfältigkeit werden und Frankreich das der Einfältigkeit."
Die Könige, die im Frankreich des 10. Jahrhunderts nur über ein kleines Stammland geboten, weiteten ihre Macht gegenüber dem übrigen fränkischen Adel stetig aus, bis sie im 17. Jh. zu absoluten Herrschern wurden. Bereits im 15. Jh. fielen französische Söldnerheere in Elsass ein. Frankreich beanspruchte den Rhein als "natürliche Grenze", indem es sich auf Caesar berief. In der Folge wurde im Elsass Frankreich als bedrohlicher Feind gefürchtet.
Pierre Klein zeichnet die eigenständige regionale Geschichte des Elsass innerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in großen Zügen vom 12. bis zum 17. Jahrhundert nach. Das Haus Habsburg, der Zehnstädtebund, der Bischof von Straßburg, die reichsfreie Stadt Straßburg und weitere Fürstenhäuser spielten in dieser Landschaft eine Rolle.
Allerdings erlaubten es die konfessionelle Spaltung und die bereits erwähnte territoriale Zersplitterung Deutschlands den französischen Königen im Dreißigjährigen Krieg und in den folgenden Jahrzehnten, das Territorium Frankreichs auf Kosten Deutschlands im Nordosten zu erweitern. Endgültig zu Frankreich geschlagen wurde das Elsass im Vertrag vomRijswijk 1697.
Bis zur Französischen Revolution konnte jedoch das Elsass sein Wirtschafts- und Kulturleben eigenständig führen, und die Geltung der deutschen Sprache wurde kaum angetastet. Das Elsass galt wie Lothringen als externe Provinz und lag außerhalb der französischen Zollgrenze, als province à l'instar de l'étranger effectif. Nach dem Wiener Kongress blieb das Elsass französisch.

Strassburg: Blick vom Ferkelmarkt gegen Norden zum Münster
Straßburg: Blick vom Ferkelmarkt gegen Norden zum Münster

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 kam das Elsass wieder zu Deutschland. Dieser Wechsel wurde im Elsass selbst durchaus mit gemischten Gefühlen aufgenommen; es kam zunächst zu Protestbewegungen, dann zu schließlich erfolgreichen Bemühungen um Autonomie innerhalb des Reiches. 1911 bekam Elsass-Lothringen eine eigene Verfassung und einen Landtag.
Nach dem 1. Weltkrieg fiel das Elsass an Frankreich zurück, und die Elsässer erhielten ihre französische Staatsbürgerschaft zurück; allerdings wurden 120'000 unerwünschte Elsässer und Altdeutsche ausgewiesen. Der französische Staat betrieb eine Politik der politischen, sprachlichen und laizistischen Assimilation. Dagegen wehrten sich regionalistische und autonomistische Parteien, die von einer Mehrheit der Elsässer unterstützt wurden.
Die Besetzung durch das nationalsozialistische Deutschland während des Zweiten Weltkrieges wurde von den meisten Elsässern wie ein Albtraum erlebt. Nach der Befreiung davon wehrte sich die Bevölkerung nur wenig gegen die forcierte Franzisierung, die Elsässer verdrängten vielmehr ihre eigene Identität und pflegten jahrzehntelang einen ausgeprägten Antigermanismus. Zwar wurde Straßburg 1949 zum Sitz des Europarates erkoren, und 1986 entstand die Region Elsass mit einem Regionalrat in Straßburg, dennoch ist die deutsche Sprache samt dem elsässischen Dialekt in diesem Gebiet nur noch einer Minderheit geläufig. Mit der Schaffung der Region Grand-Est brachte Präsident Hollande das Elsass auch als politische Einheit zum Verschwinden. Immerhin wurde dagegen durch die ICA und andere Organisationen heftiger Widerspruch erhoben, so dass auf Neujahr 2021 immerhin die Europäische Gemeinschaft des Elsass (CEA – Collectivité européenne d'Alsace) entstand. Was diese für die kulturelle Eigenständigkeit des Elsass zu bewirken vermag, bleibt allerdings abzuwarten. 
Forderungen
Nach seinem Überblick über die Geschichte des Elsass stellt Pierre Klein eine Reihe von Forderungen nach einem neuen Ansatz in der Vermittlung der Geschichte Frankreichs im allgemeinen und des Elsass im besonderen. Die französische Geschichte, wie sie bisher an den Schulen unterrichtet wird, dient der Einimpfung einer "nationalen Erzählung", welche die Größe, Einzigartigkeit und Kontinuität Frankreichs darstellt, die Vorfahren glorifiziert, den Ruhm der Republik feiert und alles versteckt, was ethisch fragwürdig und der Ehre der Nation abträglich ist. Mit dem historischen Mythos wird das Modell Frankreich gerechtfertigt, die Konstruktion und Förderung einer einzigartigen und einheitlichen nationalen Identität, die mit einer Überbewertung einer einzigen Sprache, einer einzigen Geschichte und einer einzigen Kultur einhergeht. Pierre Klein plädiert für einen Geschichtsunterricht, welcher Frankreich in Europa einbettet und der Wahrheit und Wirklichkeit näherkommt, indem er Frankreichs Vielfalt aufzeigt.

Strassburg: Hof im Palais Rohan mit dem Muenster im Hintergrund
Straßburg: Hof im Palais Rohan mit dem Münster im Hintergrund

Im bisherigen Geschichtsunterricht, wie er auch im Elsass praktiziert wird, ist das Elsass selbst ein blinder Fleck, da die Schule nicht aufzeigt, was das Elsass ausmacht: seine eigene Geschichte, Kultur und Sprache. Die Vorstellung der Elsässer von sich selbst ist geprägt von Sentimentalität, Widersprüchen, Halbwahrheiten und Geschichtsfälschung. Deshalb ist den Elsässern ihre Identität weitgehend abhanden gekommen. Klein fordert deshalb für die elsässichen Schulen einen Geschichtsunterricht, welcher die junge Generation mit dem geschichtlichen und kulturellen Hintergrund ihrer Landschaft vertraut macht, so dass die Elsässer ihre Identität wiedergewinnen können. Dadurch wird auch das Zusammenleben, werden die sozialen Bindungen gestärkt.
Deshalb fordert die Initiative Citoyenne Alsacienne (ICA) vom französischen Kultusministerium, eine regionale Komponente des Geschichtsunterrichts in Frankreich zu verankern. Regionale Eigeninitiative führt jedoch oft schneller zum Ziel. "Der Schulbezirk Straßburg kann natürlich nicht die nationalen Lehrpläne ändern, aber er hat die Möglichkeit, sie anzupassen an die regionalen Besonderheiten.“ Dazu gibt es nun Ansätze, aber es gilt den Unterricht in regionaler Kultur und Geschichte allgemein einzuführen.
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Klein, Pierre. Histoire Politique de l'Alsace. / Poltische Geschichte des Elsass. Bernardswiller FR (I.D. l'Édition) 2020. ISBN 978-2-36701-215-5.

Das Elsass ist aus französischer Sicht eine Randprovinz, aber es liegt mitten in Europa. Daraus ergeben sich die hauptsächlichen Besonderheiten des Elsass, sei es in Politik, Sprache, Kultur, Wirtschaft oder Landschaft.
Die Elsässer haben sich daran gewöhnt, ihr Land durch die französische Brille zu sehen und sind dadurch selbst immer französischer geworden. Weil die Schule ihnen nicht gezeigt hat, was das Elsass eigentlich ausmacht, haben sie sich nicht aneignen können, was sie nicht kennen, und haben sich ihrer eigentlichen Identität entfremdet. Von dem, was die elsässische Eigenart ausmacht, ist deshalb nicht viel übriggeblieben.
Die Elsässer sind in einer kulturellen Sackgasse gelandet.

Si l'Alsace se trouve à l'extrémité orientale de la France, elle n'est pas pour autant une fin de terre, un "finistère". Elle est aussi à l'extrémité occidentale de la Mitteleuropa. La première identité de l'Alsace est géographique. De l'espace dans lequel, elle s'inscrit découlent les principaux particularismes alsaciens, qu'ils soient politiques, linguistiques, culturels, économiques, écologiques...
Nous devenons français en ce que nous faisons nôtre ce que l'on nous présente de la France. Et parce que l'école ne nous présente rien de ce qui fait l'Alsace, ou si peu, nous ne pouvons pas faire nôtre ce qui ne nous est pas présenté. Et comme on ne peut pas s 'identifier à ce que l'on ne connaît pas, nous ne sommes pas loin d'avoir atteint le degré zéro du niveau d'adhésion à "l'alsacianitude". De même, nous ne voulons évidemment pas être ce que l'on n'a pas fait de nous. Autrement dit, nous avons fait l'impasse sur une socialisation alsacienne, sur une "alsacianisation".

Pierre KLEIN. Histoire Politique de l'Alsace. Repères historiques – Politische Geschichte des Elsass. Historische Bezugspunkte. ISBN : 9782367012155. 10 €. Format : 16.5 x 24 cm, 80 S. Code : DI423. Gewicht: 280 g. 

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